"Was glaubt ihr eigentlich ist ein Künstler? Ein Narr, der wenn er Maler ist nur Augen hat? ... Er ist im Gegenteil gleichzeitig ein politisches Wesen, empfänglich für die bestürzenden, schmerzlichen oder beglückenden Ereignisse des Weltgeschehens ... Nein, die Malerei ist nicht dazu da, Wohnungen zu verzieren. Sie ist eine Waffe des Angriffs und der Verteidigung gegen den Feind."
- Pablo Picasso
Diese von Picasso und vielen anderen Künstlern geforderte aktive Teilnahme eines jeden Künstlers am gesellschaftlichen Geschehen wurde durch Okwui Enwezor mit der Dokumenta 11zurück in die
gegenwärtigen Kunstbetrieb geholt. Mit der Rauminstallation "und... und" der Hofgeismarer Malerin Katharina grote Lambers wurde der Besucher im "Kunstherbst" 2002 im Gewölbe des Karlshafener
Hauses Römer durch hängende Rupfenbahnen geleitet. Eine Stimme zählte Kriegsschauplätze des 20. Jahrhunderts auf (... und Afghanistan und Irak und...). Die Reihung stellte menschliche Figuren
dar, die still den Weg durch die Ausstellung teils begleiten, teil verharren. Auf der dem Eingang gegenüberliegenden Seite verengte sich der Durchgang und schloss am Kopfende mit einer einzelnen
Bahn ab. Der Aufbau, der an die Konstellation von Mannscheiben auf einem Schießstand erinnerte, beeindruckte in vieler Hinsicht. Die Architektur des Kellergewölbes ist die Kapelle mit Kreuzgang.
Befand sich der Besucher nach der Passage der beiden Wächter und neugierigem Vorwärtstasten in der Vierung, rückten von beiden Seiten weitere Figuren auf ihn zu. Er befand sich mitten auf dem
"Schlachtfeld". Wandte er sich rückwärts, wurde er zunächst geblendet und konnte dann auf der ultramarinen Rückseite der Rupfenbahnen Ausschnitte aus Gedichten Erich Frieds lesen. (Texte, die
Fried während des Vietnam-Krieges, unter dem Eindruck von Pressemitteilungen der USA schrieb.) Der "Rückzug" erschien dem Ausstellungsbesucher schwieriger als der "Vormarsch". Es war Gelegenheit,
jede einzelne Figur eingehend zu betrachten und kleine Unterschiede zu entdecken, während die Stimme unaufhörlich und monoton Kriegsschauplätze nannte.
Man war geneigt, diese Aufzählung in das 21. Jahrhundert fortzuführen. Im Kriegsgeschehen wird jeder Betroffene nur als Teil des Ganzen wahrgenommen. Gesellschaften, die Leben in Statistiken
erfassen, - und noch eines, und noch eines - verlieren die Achtung vor dem Einzelnen; Individualität wurde in der Ausstellung "und... und" durch unterschiedliche Farbgebung und Materialist nur
angedeutet.
Die Künstlerin Katharina grote Lambers nahm die Herausforderung wahr, diesen aktuellen politischen Brennpunkt sichtbar zu machen. Die Malerin grote Lambers ließ ihre Wurzeln innerhalb der Installation erkennen. Die subtile Farbigkeit der Reihung, Pinselstrichen gleich, wiederholte sich in den einzelnen Tonnen des Gewölbes und konnte jeweils als eigenständiger Teil des gesamten Bildes wahrgenommen werden. Erdtöne und Ultramarin sind grote Lambers bevorzugte Farben, mit denen sie in feinsten Abstufungen spielt. Gemeinsam mit dem symmetrischen Aufbau entstand eine Ästhetik im krassen Gegensatz zur Ernsthaftigkeit des Themas. Die Betroffenheit der Besucher vermochte dies jedoch keinesfalls zu mildern.
- Dorothe Römer